Wie bei jedem Konzertbericht gilt allergrößte Spoilerwarnung. Wer in naher Zukunft auf ein Konzert geht, sollte den Bericht nicht lesen (nach dem Konzertbesuch kann das gerne nachgeholt werden ). Wer das Drumrum nicht lesen möchte, kann einfach runterscrollen zu dem Teil mit den gefetteten Wörtern.
Jetzt da ich diesen Konzertbericht schreibe, stolpere ich natürlich auch über meinen letzten. Der letzte Absatz war so schön, den möchte ich kurz zitieren, es war eines der ersten Abschiedskonzerte der Wise Guys im September 2016:
"Ich bin jetzt wieder im Wise Guys-Fieber. Es wird wahrscheinlich mein letztes Konzert gewesen sein, aber eigentlich müsste ich ja jetzt auch noch ein Konzert in voller Länge und ohne Sturmverzögerung besuchen. Kann ich nicht die Zeit zurückdrehen und noch ein Achterbahn-, Antidepressivum- oder Läuft bei dir-Konzert besuchen?"
Zunächst kurz zu mir: Ich habe im Januar einen neuen Lebensabschnitt angefangen und wohne nun zwei Orte von Rennerod entfernt. Natürlich war im Januar schon klar, dass ich das Konzert im September besuchen werde. Rennerod ist für mich bislang nur „der Ort mit dm und McDonald’s“. Soll heißen, ich besuche Rennerod eigentlich nur, wenn ich was von dm brauche – und dann kombiniere ich es mit einem ausgewogenen Abendessen bei McDonald’s.
Aber schon lange freue ich mich natürlich, Rennerod mal aus einem anderen Grund als Drogerieartikel oder Fastfood zu besuchen. Während ich in Koblenz gewohnt habe, war ich auf vielen Basta-Konzerten (weil die halt da aufgetreten sind und die Wise Guys nicht). Da habe ich es mir zur Gewohnheit und Tradition gemacht, lange vor Einlass beim Konzertort anzukommen, um als erster eintreten zu dürfen und dann meinen Lieblingsplatz in der 1. Reihe Mitte zu bekommen.
So fuhr ich auch heute viel zu früh los. Das Navi kündigte 9 Minuten an. Traumhaft. Seit ich 2006 Wise Guys-Fan (damals eigentlich eher sogar Fanatiker) wurde, habe ich von einem so nahen Konzertort geträumt. Ich fuhr also nach Rennerod, aber ich hatte keinen Cent in der Tasche. Ich musste also hoffen, dass es in Rennerod einen Geldautomaten gab. Das Ticket war zwar schon sehr lange bezahlt, aber man will ja eventuell auch mal einen Schluck trinken, wenn man über so einen langen Zeitraum unterwegs ist.
Erst mal das leidige Thema Parkplatzsuchen. Bei Basta war ich immer zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Aber da ich morgen arbeiten muss, konnte ich mir keine Radtour nach Rennerod leisten. Bei der Westerwaldhalle war ich noch nie und ich musste hoffen, dass man da überhaupt parken konnte.
Aber es gab ausreichend Parkplätze und ich sah sogar das Auto der Alten Bekannten. Davon wollte ich auch gleich ein Foto machen. Erst als ich das Handy schon erhoben hatte, bemerkte ich, dass im Gebäude durch das Fenster tatsächlich altbekannte Gesichter an einem Tisch sitzend zu sehen waren. Na hoffentlich dachten die nicht, ich würde sie so früh schon mit Autogrammwünschen belästigen wollen. Nein, ich war nur auf das Auto aus.
Zu meiner Überraschung standen auch schon Leute vor dem Eingang – mehr als zwei Stunden vor Einlass. Jugendliche mit Motorrädern und lauter Musik, die man eigentlich nicht AB-Fans zuordnen würde. Gerade solchen Leuten würde ich eigentlich keine Plätze in der ersten Reihe gönnen.
Aber ich biss in den sauren Apfel und ging erst mal zur Renneroder Hauptstraße auf der Suche nach Geld. Ich brauchte einen Automaten der Volksbank. Ich fand die Sparkasse. Ich fand noch eine Sparkasse. Und dann zum Glück auch eine Volksbank.
Zurück bei der Westerwaldhalle waren die Jugendlichen weg. Waren wohl wirklich nur Jugendliche, die hier abhingen. Ich setzte mich auf den Boden, es war ja auch gutes sommerliches Wetter und las ein Buch. Es war noch viel Zeit. Es war sonst keiner da.
Nach und nach fielen mir aber Leute mit Polos auf, die wohl zusammen gehörten. Die Aufschrift der Polos sah aber nicht nach einem AB-Fanclub aus. Nach einer Stunde warten boten sie mir dann an einfach reinzukommen.
Die Leute mit den Polos waren wohl Mitarbeiter des Vereins, die das heutige Konzert veranstalteten. Der Kassierer erzählte mir, dass letztes Jahr auf dem Abschiedskonzert der Wise Guys 1000 Leute waren und der Saal komplett ausgebucht war. Dieses Jahr aber waren gerade mal 150 Karten im Vorverkauf verkauft.
Und so stand ich auch erst mal alleine im Foyer, erlaubte mir ein Westerwald Bräu und eine Brezel. Wenn Leute von Westerwälder Bier reden, reden sie immer nur von Hachenburger. Aber das gute Westerwälder Bier ist das Westerwald Bräu!
Es dauerte eine weitere Zeit, ehe die nächsten Gäste waren. Aber alles nur Damen fiel mir auf. Der zweite männliche zahlende Kunde nach mir kam um 16:37 Uhr. Ich stellte mich inzwischen auch immer näher an die Treppe, die zum Konzertsaal führte. Zehn Minuten vor dem offiziellen Einlass sah ich ein paar Damen, die hoch wollten. Schnell lief ich neben ihnen her, um meinen Premierenplatz nicht zu verlieren.
Vor den Konzertsaaltüren angekommen, spürte ich schon eine lange Schlange hinter mir. Die letzten Minuten vergingen unglaublich langsam. Aber auch um 5 öffneten sich nicht die Türen. Um drei nach 5 schaute einer schon ungeduldig rein. Immerhin waren die Türen ja nicht verschlossen. Trotzdem hielten wir uns an die unausgesprochene Regel: Ehe die Türen nicht von einem Mitarbeiter geöffnet wurden, durfte keiner von uns rein.
Dann endlich öffneten sich die Türen, aber der Mitarbeiter sagte etwas, das mir gar nicht gefiel: „Erst nur die Kinder.“ Ich gönnte es ja den Kindern… Aber hatten sie auch wie ich drei Stunden gewartet, um in die 1. Reihe zu kommen? Ich will ja nichts gegen Kinder sagen, denn das wäre politisch nicht korrekt… aber dieser eine Satz machte mein dreistündiges Warten im Bruchteil einer Sekunde zunichte.
Also wurden erst die Kinder reingelassen, damit sie sich Plätze in der 1. Reihe suchen konnten. Als ich dann endlich reinkonnte, wollte ich stattdessen halt schnell in die 2. Reihe Mitte. Aber da waren Reserviert-Schilder. Schnell ging ich in die 1. Reihe und fragte die Kinder höflich, ob ich einen der freien Plätze haben dürfte. Aber die Kinder sagten: „Die erste Reihe ist nur für Kinder.“ Ja, das wusste ich! Aber die Kinder hatten doch nun alle einen Platz, da hätte ich doch auch einen haben dürfen…! Nein, ich bekam nun einen 3. Reihe Rand. Und wer bekam den Platz, um den ich in der 1. Reihe gebeten hatte, bei dem der Junge sagte, er wäre nur für Kinder? Sein Vater!
Ich war darüber nicht gerade glücklich. Ich saß da, versuchte den ungeliebten Platz und den Ärger über die unnötige Wartezeit runterzuschlucken wartete, dass es endlich losging. War ja nicht mal mehr eine Stunde. Aber die zog sich natürlich noch mal sehr lange. Wie das so ist, beobachtete ich natürlich auch das Bild auf der Bühne. Da waren Trinkflaschen für die Künstler. Hatte jetzt jeder seine eigene Fahrradflasche? Ob die wohl alle beschriftet waren? Oder waren sie unterschiedlich und man sah das nur aus der Nähe? Was mir auch auffiel war, dass drei Minuten vor Konzertbeginn auf der Bühne ein Smartphone an ein Ladekabel gesteckt wurde.
Noch immer ärgerte ich mich, dass ich meinen Lieblingsplatz nicht bekommen hatte, aber als es losging, tröstete mich gleich die erste Liedzeile: „Bist du mal ein bisschen traurig, weil mal wieder etwas lief, aber nicht so wie du wolltest, sondern leider völlig schief?“ Als hätten sie gewusst, dass ich meinen Platz nicht bekommen hatte! Im Lied Alte Bekannte empfahlen sie in so einem Fall Musik von deinen Alten Bekannten zu hören. Gute Idee! Mach ich!
Danach ging es auch direkt weiter mit Hi hi hi. Ja, also das Lied geht als Opener ja mal so richtig ab! Da ist man sofort mittendrin und jeder Ärger, den man vorher hatte, ist wie weggeblasen! Auch der Verlust von Sari und Eddi ist vergessen, die beiden Neuen machen einen super Job! Natürlich kenne ich die Namen der Neuen bereits, da ich sie aber zuvor noch nie live gesehen hatte, kann ich diese nicht den Gesichtern und Stimmen zuordnen.
Das änderte sich natürlich in der ersten Moderation von Dän. Mein erstes WG-Konzert ist nun übrigens elf Jahre her und mir fällt gerade auf, dass von damals nur Dän übriggeblieben ist. Er begrüßte uns im schönen Rennerod und musste direkt bemängeln, dass die Jalousien nicht gingen. Normalerweise sollte man im Konzert ja eine Kino-Atmosphäre herstellen. Aber so schien die Sonne auf uns. Das hatte vor allem den Effekt, dass die Alten Bekannten uns sehen konnten. Jedes Gähnen, jedes Handy. Aber eigentlich war es für sie auch ganz schön unsere Freude zu sehen und sie hatten eine tolle Sicht ins Tal von der Bühne aus. Schuld hatte daran übrigens niemand. Außer natürlich dem, der gemerkt hatte, dass die Jalousien defekt waren, und es nicht gemeldet hatte.
Dän stellte die Alten Bekannten natürlich erst mal vor. Als damals der Abschied der Wise Guys feststand, merkten er, Nils und Björn, dass sie auch weiterhin Interesse hatten fünfstimmigen A-Capella-Gesang zu performen. Sofort gingen sie in den Keller um engagiert zu proben. Schnell merkten sie aber, dass sich dieser fünfstimmige Gesang nur zu dritt nicht gut anhörte.
Daher suchten sie zwei neue Kollegen, die drei Sachen mitbringen mussten: Sie mussten herausragende Musiker sein, überaus gut aussehen und viel Zeit mitbringen. Sie casteten und casteten, aber solche Leute fanden sie nicht. Zum Schluss nahmen sie dann Ingo und Clemens – die hatten zumindest Zeit.
Natürlich stellte Dän sofort klar, dass das nur ein Spaß war. Zur Vorstellung der beiden Neuen meinte er, dass Ingo bereits mit Clemens studiert hatte. Aber nicht mit dem Clemens der Alten Bekannten, sondern mit dem Clemens der Wise Guys. Damit das nicht zu verwirrend wird, nennt er für sich den Clemens der Alten Bekannten den neuen Clemens.
Der neue Clemens war in einer Band in den Niederlanden. Auch Björn war in einer niederländischen Band und sie hatten sich auf Festivals beim Rauchen nach den Konzerten kennengelernt. Dies führte zu einer derart starken Bromance, dass sie beide eine ähnliche Frisur tragen.
Dann noch kurz zur Altersstruktur: Im Bandnamen Alte Bekannte steckt ja auch der Begriff „alt“. Ja, die Alten Bekannten waren inzwischen recht betagt, nur Björn ist relativ jung. Er ist der Jüngste. Tatsächlich ist er sogar der einzige Jüngste in der Band.
Wer schon älter ist, bekommt mit so gewissen Sachen seine Probleme und das durfte Clemens nun besingen: Der Dings. Und der neue Clemens ging gut ab. Also wie gesagt, die beiden Neuen machten einen tollen Job und ließen uns keine Gelegenheit die Alten zu vermissen (auch wenn ich doch gerne Saris Stimme mal wieder hören würde).
Nach Clemens‘ Debüt folgte Ingos Debüt mit dem Lied Perfekt. Ich kann mich nur wiederholen: Die Neuen sind eine Topbesetzung, das Lied ging auch total ab und Ingo war eine totale Rampensau!
In der nächsten Moderation ging Dän darauf ein, dass die Band alles andere als perfekt sei. Aber das machte sie authentisch. Die Quelle dieser Authentizität sollte das folgende Lied aufzeigen: Unprofessional. Leider kenne ich nicht das Original. Es war das erste Lied, das auch nicht über CD oder den YouTube-Kanal der AB bekannt war. Es war ein Lied mit deutschen und englischen Zeilen, das die Unprofessionalität besang. Ingo und Björn alberten dabei besonders rum und am Ende hatte Björn sein Mikro im Mund.
Der durfte dann auch die nächste Moderation machen. Zurück zur Altersstruktur – er als der Jüngste kannte sich ja mit Social Media wie Facebook und Instagram aus. Die Älteren kennen ja so was gar nicht. Aber die AB haben auf beiden Plattforms jeweils einen eigenen Kanal, wo man ihnen gerne folgen darf. Wer dafür aber dann doch zu alt ist, für den haben die AB auch eine eigene Website. Dabei schaute er die Kinder in der 1. Reihe an. Die kennen sowas wahrscheinlich nicht mehr. Justin Bieber hat sicherlich keine (kurz mal gegoogelt: er hat tatsächlich eine). Auf der Website der Alten Bekannte sieht man zum Beispiel die ständig erweiterten Tourtermine, oder auch den Tourblog.
Für all jene aber, die auch 2018 noch sagen, dass sich das Internet nicht durchsetzen wird, gibt es draußen einen DinA4-Zettel mit zwei Kugelschreibern, wo man sich ganz traditionell für den Newsletter anmelden kann, der dann vierteljährlich per Mail versendet wird und die wichtigsten Informationen enthält.
In der Liedliste ging es nun weiter mit Nordseewind, eine Ballade, mit der ich persönlich leider noch nichts verbinden kann. Meiner Meinung nach war diese auch etwas zu schnell gesungen. Naja, wenn ich irgendwann mal Urlaub an der Nordsee gemacht habe, werde ich das Lied bestimmt auch mögen.
Clemens lobte Dän nach diesem Lied aber dafür, dass er es geschrieben hatte. Er meinte, Dän wäre unter den Songwritern in Deutschland sicherlich einer der größten. Mit seinen 1,98m muss man sich vor allem bei seiner Mutter bedanken. Ihn eint mit Dän vor allem, dass sie beiden die einzigen von den Alten Bekannten waren, die schon Kinder haben. Dieser Umstand wurde dann in Kleiner Terrorist besungen. Ich muss zugeben, dass es nun sehr süß war anzusehen, wie die Eltern in der 1. Reihe ihre Kinder bei diesem Lied liebevoll gestreichelt hatten und die Kinder ein freches „So bin ich aber nicht“-Lächeln aufsetzten.
Ich war sehr überrascht, als danach plötzlich ein Klassiker aus den 80ern kam. Aber in einer derart guten Qualität, dass es dem Original ebenbürtig war. Ich brauchte bis zum Refrain, bis ich Billie Jean von Michael Jackson auch namentlich erkannt hatte. In der Version der AB hieß das Lied Billigjeans und besang einen Typen, der gerne bei Kik einkauft. Ingo zeigte einen tollen Moonwalk.
Danach meinte Dän, dass Zuschauer ihm schon gesagt hätten, Michael Jackson würde sich im Grab umdrehen, würde er diese Cover hören. Aber diese Leute kann Dän beruhigen: soweit er weiß, hatte Michael Jackson ein Urnenbegräbnis.
Dän entschuldigte sich dafür, dass er das in der Anfangsmorderation mit der Jalousie so negativ sah. Der Deutsche neigt halt dazu, alles immer erst mal negativ zu sehen. Genausogut hätte er aber auch darauf hinweisen können, dass die Jalousien auf der anderen Seite des Saals funktionieren!
Nun wies er darauf hin, dass die AB vor allem gerne lustige und erheiternde Lieder schreiben. Da das Leben aber nicht immer nur lustig, sondern auch mal ernst ist, folgte nun ein ernstes Lied: Stern aus Papier.
Vor dem letzten Song vor der Pause folgte die obligatorische Werbung für den Merch-Stand. Das Sortiment war noch recht übersichtlich. Neben der Debüt-CD gab es das T-Shirt, auf dem vorne groß „Alte Bekannte“ steht. Hinten drauf steht Rennerod. Genau das richtige für Lokalpatrioten! Zwar standen auch andere Städtenamen drauf, aber Rennerod war auf jeden Fall zentral! Dann gab es noch das Poster, das echt gut aussah, obwohl (laut Dän) die Alten Bekannten drauf zu sehen war. Der Fotograf musste echt was draufhaben.
Wer kein Interesse an der CD hatte oder allgemein daran die Alten Bekannten zu hören, konnte sich das Songbook kaufen. Darin waren alle Songs der CD fünfstimmig. Man kann sich nun also vier Freunde einladen und die Lieder einfach selber singen. Sehr zur Freude der Nachbarn.
Für das nächste Lied musste Dän kurz etwas zu Stimmlagen erklären. Björn singt ja eigentlich den Bass. Er kann aber auch sehr gut Bariton singen. Was ist nun was? Bass ist das tiefe, Bariton etwas höher und dann gibt es noch die Tenöre. Das sind die, die das Gepiepse und Gejaule produzieren, das man bei Nils den ganzen Abend ertragen muss. Björn sang als Bariton nun Zur falschen Zeit und zeigte dabei sehr lobend auf Nils, der als Tenor im Background natürlich einen sehr guten Job machte. Und dann war die erste Hälfte schon wieder vorbei :/
Da ich morgen früh arbeiten muss und jetzt schon viel mehr und viel länger geschrieben habe, als ich das eigentlich vorhatte, pausiere ich an dieser Stelle erst mal und komme hoffentlich morgen im Laufe des Tages dazu die zweite Konzerthälfte hier dran zu editieren.
Jetzt da ich diesen Konzertbericht schreibe, stolpere ich natürlich auch über meinen letzten. Der letzte Absatz war so schön, den möchte ich kurz zitieren, es war eines der ersten Abschiedskonzerte der Wise Guys im September 2016:
"Ich bin jetzt wieder im Wise Guys-Fieber. Es wird wahrscheinlich mein letztes Konzert gewesen sein, aber eigentlich müsste ich ja jetzt auch noch ein Konzert in voller Länge und ohne Sturmverzögerung besuchen. Kann ich nicht die Zeit zurückdrehen und noch ein Achterbahn-, Antidepressivum- oder Läuft bei dir-Konzert besuchen?"
Zunächst kurz zu mir: Ich habe im Januar einen neuen Lebensabschnitt angefangen und wohne nun zwei Orte von Rennerod entfernt. Natürlich war im Januar schon klar, dass ich das Konzert im September besuchen werde. Rennerod ist für mich bislang nur „der Ort mit dm und McDonald’s“. Soll heißen, ich besuche Rennerod eigentlich nur, wenn ich was von dm brauche – und dann kombiniere ich es mit einem ausgewogenen Abendessen bei McDonald’s.
Aber schon lange freue ich mich natürlich, Rennerod mal aus einem anderen Grund als Drogerieartikel oder Fastfood zu besuchen. Während ich in Koblenz gewohnt habe, war ich auf vielen Basta-Konzerten (weil die halt da aufgetreten sind und die Wise Guys nicht). Da habe ich es mir zur Gewohnheit und Tradition gemacht, lange vor Einlass beim Konzertort anzukommen, um als erster eintreten zu dürfen und dann meinen Lieblingsplatz in der 1. Reihe Mitte zu bekommen.
So fuhr ich auch heute viel zu früh los. Das Navi kündigte 9 Minuten an. Traumhaft. Seit ich 2006 Wise Guys-Fan (damals eigentlich eher sogar Fanatiker) wurde, habe ich von einem so nahen Konzertort geträumt. Ich fuhr also nach Rennerod, aber ich hatte keinen Cent in der Tasche. Ich musste also hoffen, dass es in Rennerod einen Geldautomaten gab. Das Ticket war zwar schon sehr lange bezahlt, aber man will ja eventuell auch mal einen Schluck trinken, wenn man über so einen langen Zeitraum unterwegs ist.
Erst mal das leidige Thema Parkplatzsuchen. Bei Basta war ich immer zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Aber da ich morgen arbeiten muss, konnte ich mir keine Radtour nach Rennerod leisten. Bei der Westerwaldhalle war ich noch nie und ich musste hoffen, dass man da überhaupt parken konnte.
Aber es gab ausreichend Parkplätze und ich sah sogar das Auto der Alten Bekannten. Davon wollte ich auch gleich ein Foto machen. Erst als ich das Handy schon erhoben hatte, bemerkte ich, dass im Gebäude durch das Fenster tatsächlich altbekannte Gesichter an einem Tisch sitzend zu sehen waren. Na hoffentlich dachten die nicht, ich würde sie so früh schon mit Autogrammwünschen belästigen wollen. Nein, ich war nur auf das Auto aus.
Zu meiner Überraschung standen auch schon Leute vor dem Eingang – mehr als zwei Stunden vor Einlass. Jugendliche mit Motorrädern und lauter Musik, die man eigentlich nicht AB-Fans zuordnen würde. Gerade solchen Leuten würde ich eigentlich keine Plätze in der ersten Reihe gönnen.
Aber ich biss in den sauren Apfel und ging erst mal zur Renneroder Hauptstraße auf der Suche nach Geld. Ich brauchte einen Automaten der Volksbank. Ich fand die Sparkasse. Ich fand noch eine Sparkasse. Und dann zum Glück auch eine Volksbank.
Zurück bei der Westerwaldhalle waren die Jugendlichen weg. Waren wohl wirklich nur Jugendliche, die hier abhingen. Ich setzte mich auf den Boden, es war ja auch gutes sommerliches Wetter und las ein Buch. Es war noch viel Zeit. Es war sonst keiner da.
Nach und nach fielen mir aber Leute mit Polos auf, die wohl zusammen gehörten. Die Aufschrift der Polos sah aber nicht nach einem AB-Fanclub aus. Nach einer Stunde warten boten sie mir dann an einfach reinzukommen.
Die Leute mit den Polos waren wohl Mitarbeiter des Vereins, die das heutige Konzert veranstalteten. Der Kassierer erzählte mir, dass letztes Jahr auf dem Abschiedskonzert der Wise Guys 1000 Leute waren und der Saal komplett ausgebucht war. Dieses Jahr aber waren gerade mal 150 Karten im Vorverkauf verkauft.
Und so stand ich auch erst mal alleine im Foyer, erlaubte mir ein Westerwald Bräu und eine Brezel. Wenn Leute von Westerwälder Bier reden, reden sie immer nur von Hachenburger. Aber das gute Westerwälder Bier ist das Westerwald Bräu!
Es dauerte eine weitere Zeit, ehe die nächsten Gäste waren. Aber alles nur Damen fiel mir auf. Der zweite männliche zahlende Kunde nach mir kam um 16:37 Uhr. Ich stellte mich inzwischen auch immer näher an die Treppe, die zum Konzertsaal führte. Zehn Minuten vor dem offiziellen Einlass sah ich ein paar Damen, die hoch wollten. Schnell lief ich neben ihnen her, um meinen Premierenplatz nicht zu verlieren.
Vor den Konzertsaaltüren angekommen, spürte ich schon eine lange Schlange hinter mir. Die letzten Minuten vergingen unglaublich langsam. Aber auch um 5 öffneten sich nicht die Türen. Um drei nach 5 schaute einer schon ungeduldig rein. Immerhin waren die Türen ja nicht verschlossen. Trotzdem hielten wir uns an die unausgesprochene Regel: Ehe die Türen nicht von einem Mitarbeiter geöffnet wurden, durfte keiner von uns rein.
Dann endlich öffneten sich die Türen, aber der Mitarbeiter sagte etwas, das mir gar nicht gefiel: „Erst nur die Kinder.“ Ich gönnte es ja den Kindern… Aber hatten sie auch wie ich drei Stunden gewartet, um in die 1. Reihe zu kommen? Ich will ja nichts gegen Kinder sagen, denn das wäre politisch nicht korrekt… aber dieser eine Satz machte mein dreistündiges Warten im Bruchteil einer Sekunde zunichte.
Also wurden erst die Kinder reingelassen, damit sie sich Plätze in der 1. Reihe suchen konnten. Als ich dann endlich reinkonnte, wollte ich stattdessen halt schnell in die 2. Reihe Mitte. Aber da waren Reserviert-Schilder. Schnell ging ich in die 1. Reihe und fragte die Kinder höflich, ob ich einen der freien Plätze haben dürfte. Aber die Kinder sagten: „Die erste Reihe ist nur für Kinder.“ Ja, das wusste ich! Aber die Kinder hatten doch nun alle einen Platz, da hätte ich doch auch einen haben dürfen…! Nein, ich bekam nun einen 3. Reihe Rand. Und wer bekam den Platz, um den ich in der 1. Reihe gebeten hatte, bei dem der Junge sagte, er wäre nur für Kinder? Sein Vater!
Ich war darüber nicht gerade glücklich. Ich saß da, versuchte den ungeliebten Platz und den Ärger über die unnötige Wartezeit runterzuschlucken wartete, dass es endlich losging. War ja nicht mal mehr eine Stunde. Aber die zog sich natürlich noch mal sehr lange. Wie das so ist, beobachtete ich natürlich auch das Bild auf der Bühne. Da waren Trinkflaschen für die Künstler. Hatte jetzt jeder seine eigene Fahrradflasche? Ob die wohl alle beschriftet waren? Oder waren sie unterschiedlich und man sah das nur aus der Nähe? Was mir auch auffiel war, dass drei Minuten vor Konzertbeginn auf der Bühne ein Smartphone an ein Ladekabel gesteckt wurde.
Noch immer ärgerte ich mich, dass ich meinen Lieblingsplatz nicht bekommen hatte, aber als es losging, tröstete mich gleich die erste Liedzeile: „Bist du mal ein bisschen traurig, weil mal wieder etwas lief, aber nicht so wie du wolltest, sondern leider völlig schief?“ Als hätten sie gewusst, dass ich meinen Platz nicht bekommen hatte! Im Lied Alte Bekannte empfahlen sie in so einem Fall Musik von deinen Alten Bekannten zu hören. Gute Idee! Mach ich!
Danach ging es auch direkt weiter mit Hi hi hi. Ja, also das Lied geht als Opener ja mal so richtig ab! Da ist man sofort mittendrin und jeder Ärger, den man vorher hatte, ist wie weggeblasen! Auch der Verlust von Sari und Eddi ist vergessen, die beiden Neuen machen einen super Job! Natürlich kenne ich die Namen der Neuen bereits, da ich sie aber zuvor noch nie live gesehen hatte, kann ich diese nicht den Gesichtern und Stimmen zuordnen.
Das änderte sich natürlich in der ersten Moderation von Dän. Mein erstes WG-Konzert ist nun übrigens elf Jahre her und mir fällt gerade auf, dass von damals nur Dän übriggeblieben ist. Er begrüßte uns im schönen Rennerod und musste direkt bemängeln, dass die Jalousien nicht gingen. Normalerweise sollte man im Konzert ja eine Kino-Atmosphäre herstellen. Aber so schien die Sonne auf uns. Das hatte vor allem den Effekt, dass die Alten Bekannten uns sehen konnten. Jedes Gähnen, jedes Handy. Aber eigentlich war es für sie auch ganz schön unsere Freude zu sehen und sie hatten eine tolle Sicht ins Tal von der Bühne aus. Schuld hatte daran übrigens niemand. Außer natürlich dem, der gemerkt hatte, dass die Jalousien defekt waren, und es nicht gemeldet hatte.
Dän stellte die Alten Bekannten natürlich erst mal vor. Als damals der Abschied der Wise Guys feststand, merkten er, Nils und Björn, dass sie auch weiterhin Interesse hatten fünfstimmigen A-Capella-Gesang zu performen. Sofort gingen sie in den Keller um engagiert zu proben. Schnell merkten sie aber, dass sich dieser fünfstimmige Gesang nur zu dritt nicht gut anhörte.
Daher suchten sie zwei neue Kollegen, die drei Sachen mitbringen mussten: Sie mussten herausragende Musiker sein, überaus gut aussehen und viel Zeit mitbringen. Sie casteten und casteten, aber solche Leute fanden sie nicht. Zum Schluss nahmen sie dann Ingo und Clemens – die hatten zumindest Zeit.
Natürlich stellte Dän sofort klar, dass das nur ein Spaß war. Zur Vorstellung der beiden Neuen meinte er, dass Ingo bereits mit Clemens studiert hatte. Aber nicht mit dem Clemens der Alten Bekannten, sondern mit dem Clemens der Wise Guys. Damit das nicht zu verwirrend wird, nennt er für sich den Clemens der Alten Bekannten den neuen Clemens.
Der neue Clemens war in einer Band in den Niederlanden. Auch Björn war in einer niederländischen Band und sie hatten sich auf Festivals beim Rauchen nach den Konzerten kennengelernt. Dies führte zu einer derart starken Bromance, dass sie beide eine ähnliche Frisur tragen.
Dann noch kurz zur Altersstruktur: Im Bandnamen Alte Bekannte steckt ja auch der Begriff „alt“. Ja, die Alten Bekannten waren inzwischen recht betagt, nur Björn ist relativ jung. Er ist der Jüngste. Tatsächlich ist er sogar der einzige Jüngste in der Band.
Wer schon älter ist, bekommt mit so gewissen Sachen seine Probleme und das durfte Clemens nun besingen: Der Dings. Und der neue Clemens ging gut ab. Also wie gesagt, die beiden Neuen machten einen tollen Job und ließen uns keine Gelegenheit die Alten zu vermissen (auch wenn ich doch gerne Saris Stimme mal wieder hören würde).
Nach Clemens‘ Debüt folgte Ingos Debüt mit dem Lied Perfekt. Ich kann mich nur wiederholen: Die Neuen sind eine Topbesetzung, das Lied ging auch total ab und Ingo war eine totale Rampensau!
In der nächsten Moderation ging Dän darauf ein, dass die Band alles andere als perfekt sei. Aber das machte sie authentisch. Die Quelle dieser Authentizität sollte das folgende Lied aufzeigen: Unprofessional. Leider kenne ich nicht das Original. Es war das erste Lied, das auch nicht über CD oder den YouTube-Kanal der AB bekannt war. Es war ein Lied mit deutschen und englischen Zeilen, das die Unprofessionalität besang. Ingo und Björn alberten dabei besonders rum und am Ende hatte Björn sein Mikro im Mund.
Der durfte dann auch die nächste Moderation machen. Zurück zur Altersstruktur – er als der Jüngste kannte sich ja mit Social Media wie Facebook und Instagram aus. Die Älteren kennen ja so was gar nicht. Aber die AB haben auf beiden Plattforms jeweils einen eigenen Kanal, wo man ihnen gerne folgen darf. Wer dafür aber dann doch zu alt ist, für den haben die AB auch eine eigene Website. Dabei schaute er die Kinder in der 1. Reihe an. Die kennen sowas wahrscheinlich nicht mehr. Justin Bieber hat sicherlich keine (kurz mal gegoogelt: er hat tatsächlich eine). Auf der Website der Alten Bekannte sieht man zum Beispiel die ständig erweiterten Tourtermine, oder auch den Tourblog.
Für all jene aber, die auch 2018 noch sagen, dass sich das Internet nicht durchsetzen wird, gibt es draußen einen DinA4-Zettel mit zwei Kugelschreibern, wo man sich ganz traditionell für den Newsletter anmelden kann, der dann vierteljährlich per Mail versendet wird und die wichtigsten Informationen enthält.
In der Liedliste ging es nun weiter mit Nordseewind, eine Ballade, mit der ich persönlich leider noch nichts verbinden kann. Meiner Meinung nach war diese auch etwas zu schnell gesungen. Naja, wenn ich irgendwann mal Urlaub an der Nordsee gemacht habe, werde ich das Lied bestimmt auch mögen.
Clemens lobte Dän nach diesem Lied aber dafür, dass er es geschrieben hatte. Er meinte, Dän wäre unter den Songwritern in Deutschland sicherlich einer der größten. Mit seinen 1,98m muss man sich vor allem bei seiner Mutter bedanken. Ihn eint mit Dän vor allem, dass sie beiden die einzigen von den Alten Bekannten waren, die schon Kinder haben. Dieser Umstand wurde dann in Kleiner Terrorist besungen. Ich muss zugeben, dass es nun sehr süß war anzusehen, wie die Eltern in der 1. Reihe ihre Kinder bei diesem Lied liebevoll gestreichelt hatten und die Kinder ein freches „So bin ich aber nicht“-Lächeln aufsetzten.
Ich war sehr überrascht, als danach plötzlich ein Klassiker aus den 80ern kam. Aber in einer derart guten Qualität, dass es dem Original ebenbürtig war. Ich brauchte bis zum Refrain, bis ich Billie Jean von Michael Jackson auch namentlich erkannt hatte. In der Version der AB hieß das Lied Billigjeans und besang einen Typen, der gerne bei Kik einkauft. Ingo zeigte einen tollen Moonwalk.
Danach meinte Dän, dass Zuschauer ihm schon gesagt hätten, Michael Jackson würde sich im Grab umdrehen, würde er diese Cover hören. Aber diese Leute kann Dän beruhigen: soweit er weiß, hatte Michael Jackson ein Urnenbegräbnis.
Dän entschuldigte sich dafür, dass er das in der Anfangsmorderation mit der Jalousie so negativ sah. Der Deutsche neigt halt dazu, alles immer erst mal negativ zu sehen. Genausogut hätte er aber auch darauf hinweisen können, dass die Jalousien auf der anderen Seite des Saals funktionieren!
Nun wies er darauf hin, dass die AB vor allem gerne lustige und erheiternde Lieder schreiben. Da das Leben aber nicht immer nur lustig, sondern auch mal ernst ist, folgte nun ein ernstes Lied: Stern aus Papier.
Vor dem letzten Song vor der Pause folgte die obligatorische Werbung für den Merch-Stand. Das Sortiment war noch recht übersichtlich. Neben der Debüt-CD gab es das T-Shirt, auf dem vorne groß „Alte Bekannte“ steht. Hinten drauf steht Rennerod. Genau das richtige für Lokalpatrioten! Zwar standen auch andere Städtenamen drauf, aber Rennerod war auf jeden Fall zentral! Dann gab es noch das Poster, das echt gut aussah, obwohl (laut Dän) die Alten Bekannten drauf zu sehen war. Der Fotograf musste echt was draufhaben.
Wer kein Interesse an der CD hatte oder allgemein daran die Alten Bekannten zu hören, konnte sich das Songbook kaufen. Darin waren alle Songs der CD fünfstimmig. Man kann sich nun also vier Freunde einladen und die Lieder einfach selber singen. Sehr zur Freude der Nachbarn.
Für das nächste Lied musste Dän kurz etwas zu Stimmlagen erklären. Björn singt ja eigentlich den Bass. Er kann aber auch sehr gut Bariton singen. Was ist nun was? Bass ist das tiefe, Bariton etwas höher und dann gibt es noch die Tenöre. Das sind die, die das Gepiepse und Gejaule produzieren, das man bei Nils den ganzen Abend ertragen muss. Björn sang als Bariton nun Zur falschen Zeit und zeigte dabei sehr lobend auf Nils, der als Tenor im Background natürlich einen sehr guten Job machte. Und dann war die erste Hälfte schon wieder vorbei :/
Da ich morgen früh arbeiten muss und jetzt schon viel mehr und viel länger geschrieben habe, als ich das eigentlich vorhatte, pausiere ich an dieser Stelle erst mal und komme hoffentlich morgen im Laufe des Tages dazu die zweite Konzerthälfte hier dran zu editieren.