27.09.2022, 16:37
Diesmal hatte ich zwei Neuhörer dabei, die Freundin meiner jüngsten Tochter und deren Mutter und so viel sei verraten: Es hat ihnen sehr gefallen und sie kommen wieder mal mit. Meine Kleine wollte unbedingt ganz vorne sitzen um etwas zu sehen, fühlte sich dann aber mächtig beobachtet. Sie blieb dennoch vorne (das sehen wollen war stärker) und ich erklärte ihr auch, dass wir die Jungs ja auch beobachten würden.
Zu Beginn übernahm erstmal der Pastor, flätzte sich gemütlich auf den Sessel und meinte, dass er es genießt, diesmal nicht hinter dem Altar zu stehen. Dann stand er doch wieder auf und erzählte, dass das letzte Konzert der AB schon 4 Jahre her ist und er hofft, dass es nicht so lange bis zum nächsten dauern wird. Er erklärte, wo sich die Toiletten befinden, dass die evangelische Jugend in der Pause gegen Spende Verpflegung anbietet und das wir doch bitte die Handys ausschalten sollten. Mit einigen Zitaten aus verschiedenen AB-Songs lud er uns dann auf die musikalische Reise ein.
Wie immer gilt, wer sich überraschen lassen möchte, liest nicht weiter. Däns neue Hauptstimme ist nochmal im Spoiler versteckt, wer also die Konzerte im Prinzip schon kennt und nur die neue Hauptstimme noch nicht wissen will, kann getrost weiterlesen.
Die Bühne war extrem klein, fast quadratisch. Links stand ein Tisch mit dem Laptop und den Flaschen der Jungs, dahinter irgendwo das kleine Podest, auf dem Björn beim Medley steht, außerdem die Mikrofonständer. Und zwischen dem Tisch links und dem Bühnenrand rechts konnten die Fünf nur geradeso nebeneinander stehen. Beim ersten Titel „Wir sind alte Bekannte“ stieß Björn dann auch ein paar Mal am Tisch an oder an den Mikrofonständern, so dass ich einmal schon befürchtete, einer würde gleich umfallen. Im Laufe der Zeit spielte es sich dann ein. Zwar konnten sie sich manchmal nicht wie gewohnt drehen, weil da schon jemand stand und ab und zu befürchtete ich schon, dass jemand mal rechts runter fällt, sie bekamen die Choreos insgesamt aber gut hin für die Größe dieser Bühne.
Beim Zeigen der „bunten Socken“ haben mir Clemens‘ Schäfchensocken am besten gefallen. Dän begrüßte uns und war geflashed über das Verhältnis von der Größe des Publikums im Vergleich zum Platzangebot. Ich hätte auch nie gedacht, dass hier knapp 330 Leute in die Kirche passen würden, kein Wunder, ich hatte die obere Etage nicht mit einbezogen. Dän schaute in die Runde und meinte, es würde sich anfühlen, als würden sie bei einem Open Air vor 10.000 Leuten spielen. Dann erzählte er, dass ein Streaming-Konzert zwar besser als nichts ist und trotzdem scheiße. Die Techniker waren als Publikum wohl nicht so begeisterungsfähig. Hier in der Kirche sind überall Leute, sogar oben und – mit einem Blick hinter sich – nur hier nicht. Ein Teil von uns ist durch das Licht auch noch sichtbar, das heißt, sie sehen, wer Spaß hat und auch, wer eben nicht ganz freiwillig da ist. Das sei für sie eine Herausforderung, diese Leute dann auch zu motivieren.
Wenn einige von uns jetzt überlegen, dass der Kollege ganz rechts aber mal älter aussah, dann liegt das daran, dass das ein neuer Kollege ist, nämlich Friedemann Petter, der wirklich so jung ist, wie er aussieht und die Band zu einem Zwei-Generationen-Projekt macht. Er leistet hier nicht sein freiwilliges soziales Jahr ab sondern ist ein hervorragender Sänger und Komponist, und kann außerdem super Klavier spielen, was ihm in einer a-cappella-Band allerdings nicht viel nutzt.
In den Blind Auditions bei „The Voice of Germany“, der Erwachsenen-Version, hat er alle vier Buzzer bekommen und ist erst im Halbfinale ausgeschieden. Er hat sich gerade noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht, bevor er das Ding gewonnen hätte und ist jetzt bei ihnen gelandet, in dem Sammelbecken für gescheiterte Existenzen. Die Ansage kam diesmal wirklich lustig rüber, im Gegensatz zum Streaming-Konzert, wo es wirklich einen faden Beigeschmack hatte. Jetzt dürfen wir ihn mit einer Hauptstimme erleben bei einem Lied, wo die Frau die Beziehungsentstehung in die eigenen Hände genommen und Amor ein wenig nachgeholfen hat bei „Du hast mich in dich verliebt“.
Dän erklärte dann, dass die Bemerkungen über das Alter wirklich witzig gemeint sind, das Alter spielt bei Musikern nicht so die entscheidende Rolle. Da zählt eher, ob man gut oder schlecht ist. Es hat sich auch kaum etwas im Bandalltag geändert, sie müssen nur an den Raststätten ein wenig mehr Zeit einplanen für den Spielplatz oder beim Catering mal ein Ü-Ei mitbestellen.
Danach wurde Dän wieder ernst und sprach von den aktuell schwierigen Zeiten, wo man das Gefühl hat, die Welt dreht durch und man selber fühlt sich so hilf- und machtlos. Global ist das vielleicht sogar richtig, im eigenen Kreis kann man allerdings sehr wohl für gute Stimmung sorgen und sich selbst nicht ganz so wichtig nehmen. Das Lied dazu heißt „Leben und leben lassen“.
Ingo legte mit „Billig Jeans“ los, fragte hörbar „Warum denn mich?“ bei der Stelle „Und die Kids schau‘n dich blöd an“ und den MoonWalk zeigte er nicht nur hinter den anderen von rechts nach links, sondern auch links dran vorbei und vorne wieder von links nach rechts zurück.
Dän erklärte anschließend, dass es dieses Lied nicht auf CD gibt, da die Musik ja von jemand anderem ist. Da hätten sie den Komponisten oder dessen Nachfahren fragen müssen, was sie aber nicht getan haben. Deshalb dürfen sie es eigentlich auch gar nicht singen es wäre auch gut, wenn das so ein bisschen unter uns bleiben würde. Irgendwo in dieser Moderation fiel der Satz „Wenn ihr da looked…“ und Dän meinte lachend, dass sie so viel international unterwegs wären, dass man da schon mal durcheinander kommt.
Für den Sound ist Hank zuständig und dieser hat Dän vor dem Konzert gebeten, langsam zu sprechen. Dän ist nicht ganz klar warum, weil Hank die Ansagen doch kennt? Weiter ging es mit dem Hinweis, dass Politiker nicht gut im Verkaufen sind, Vorschläge, wie einen Waschlappen zu nutzen, um Energie zu sparen, wirken da schon irgendwie hilflos. Sie haben einen besseren Vorschlag, nämlich einfach einen Tag im Bett zu verbringen, am besten zu zweit und mit der "Ode an die Schnarchnasen“.
Nach dem anschließenden „Verboten“ erklärte Dän, dass nun zwei Lieder am Stück folgen. Das zweite handelt von Vergesslichkeit und ist durchaus autobiografisch, das Lied würde ihm auch durch die überspitzte Darstellung bei der Verarbeitung helfen.
Bei „Der Dings“ haben Björn und Ingo ordentlich herumgealbert,
Friedemann übernahm für die nächste Ansage und meinte, dass er jetzt seit ca. 2 Jahren bei der Band ist, aber nur wenig auf der Bühne stand. Trotzdem haben sie viel Zeit miteinander verbracht und versucht, sich gegenseitig etwas beizubringen. Björn hat zum Beispiel versucht, ihm etwas über Hüftschwung beizubringen – vergeblich. Ingo erklärte ihm den Umgang mit einem Kamm – ein herrlicher blick war die Antwort. Und Clemens kann für jemanden, der keine Ahnung hat, richtig gut Yoga. Die Bewegungen hätten bei ihm allerdings eher zu Rückenschmerzen geführt so dass er nur die Praxis der Mantren für sich übernommen hat. Das können Sätze oder Sprüche sein, aber auch ganze Lieder und so hat er in WG-Texten geblättert und ist bei einem hängen geblieben, welches er dann 20- bis 40-mal vor dem Frühstück wiederholt hat. Es folgte „Das Sägewerk Bad Segeberg“ in einem Affentempo und gefolgt von reichlich Applaus.
Björn meinte dann, dass sie nach dieser kognitiven Höchstleistung eine Pause machen müssen, sonst bekommen sie Ärger mit dem Jugendschutz. Als er auf die sozialen Medien hinweisen wollte, fiel sein Mikro aus und er nahm kurz Ingos mit den Worten „Auf Ingos? Da kling ich wie ein Mädchen!“ und ja, es war deutlich höher. Er setzte erneut an, auf Social Media hinzuweisen, doch Hank brachte umgehend ein neues Mikro und es fiel so richtig auf, wie hoch Ingos Mikro klingt, weil Björn so tief er konnte „Hey!“ sagte.
Dann konnte er endlich fortfahren und im dritten Anlauf klappte die ansage dann endlich. Er erwähnte die kleinen Clips, den Newsletter, für den man seine E-Mail-Adresse mit Kuli in die Liste eintragen kann. Dann erfahren wir auch, wann sie wieder vor Ort sind und dann darf Friedemann bestimmt auch schon Bier trinken. Die üblichen Hinweise auf die Alben, Shirts und Beutel durften nicht fehlen und es folgte das letzte Lied der ersten Konzerthälfte mit „Nicht mein Zirkus“ und ja, sogar hier hat es mit der Choreo funktioniert.
In der Pause verkaufte ich am Stand einige Shirts, die aktuelle CD und erstaunlich viele „Ständchen“, es lief überraschend gut, es waren einfach viele Ersthörer dabei, was am Gelächter und Applaus durchaus erkennbar war.
Die zweite Hälfte begann mit „Montagsallergie“ und das hat mich sehr verwundert, „Erober deine Welt“ hätte doch so schön in eine Kirche gepasst. Dän wies darauf hin, dass sie in der ersten Hälfte normalerweise legerere Klamotten tragen würden, dass wäre ihnen diesmal aber zu kalt gewesen, weswegen sie in beiden Konzerthälften die gleichen Anzüge tragen.
Das eben gesungene Lied war ihr erstes, sozusagen ihr erster Oldie. Die AB haben 5 Kinder, kurioserweise alles Jungs, die dann den Laden auch mal übernehmen sollen. Friedemann hat logischerweise noch keine Kinder, Ingo hat sich bewusst gegen Kinder entschieden, was er versteht und nach Kräften unterstützt, dass es so bleibt. Clemens und er selbst haben je zwei Jungs, die schon recht groß sind und nur Björn hat noch so einen ganz kleinen. DAS führt dazu, dass Clemens und er hin und wieder sentimental werden und in Erinnerungen schwelgen, weshalb sie ein altes Lied nochmal ausgegraben haben, nämlich „Kleiner Terrorist“.
Friedemann lobte dann Clemens‘ Babyphone-Solo und erklärte, dass er bei der Vergabe des nächsten Liedes sofort aufgesprungen ist und zwar nicht nur, weil er es als einziger noch kann, sondern weil es zu seiner Situation passt. Er ist nämlich mit seiner Freundin zusammengezogen, aus einer Fernbeziehung wurde eine Lockdownbeziehung. So haben sie sich nochmal neu und anders kennengelernt und bemerkt, dass sie eine Frühaufsteherin ist und er eben Musiker. Sie steht jeden Tag 2 Minuten früher auf, wodurch sie in Richtung einer asiatischen Zeit-zone wandert und er in Richtung New Yorker Zeit. Nach einiger Zeit wurde ihnen bewusst, dass sie dadurch immer weniger Zeit wach miteinander verbringen. Die Lösung ist, dass sie ihm Kaffee ans Bett bringt und er „Nenn mir einen guten Grund“ singt.
Björn erklärte dann, dass man auf der Bühne normalerweise große Gesten macht, damit es auch bis ganz nach hinten zu sehen ist, hier wäre das aber nicht möglich und alles müsste klein ausfallen, was auch von allen nochmal gestenreich unterstrichen wurde. Ingo sorgte dann für einen heftigen Lacher, als er nach oben zeigte, da war immerhin genug Platz! Björn konnte dann auch noch einen Lacher einheimsen, als er erklärte, dass sein Schrittzähler heute nicht auf 10.000 kommen wird – ein kleiner Einblick in die Band wäre das.
Alles ist hier live, fuhr Björn fort, das gilt auch für die Beatbox. Dafür bräuchte es auch nur zwei Dinge. Das erste wäre Talent, wie bei ihm. Seine Mutter ist Sängerin und Chorleiterin, sein Vater Schlagzeuger. Es dauerte einen Moment, bis der Zusammenhang beim Publikum ankam, dafür gab es dann aber reichlich Gelächter. Das zweite, was es braucht, ist Übung, das hat Dän gemacht. Und dann gibt es Clemens. Für jemanden, der es nicht kann, macht er es super (da hat er sich in seiner Moderation ordentlich verhaspelt) und deswegen darf er uns jetzt zeigen, was da alles geht. Ich finde es total schön, dass sie wieder so ein Beatbox-Intro dabei haben, Clemens macht das einfach grandios! Nach „Es macht Spaß, auch mal nett zu sein“ erklärte Dän, dass es da einen inhaltlich einen Fehler gibt, mit 70cent Toilettenkosten sei das Nettsein eben doch nicht immer kostenlos. Ein junger Mann hat ihn per Mail darauf aufmerksam gemacht, was ihn, Dän, mit Freude erfüllt hätte, die Ironie war nicht zu überhören.
Dän fuhr fort, dass es in Deutschland zwei Fraktionen gibt, die einen sagen, dass man nur in Großstädten vernünftig leben kann, wären die anderen nur das Leben auf dem Land lebenswert finden. Sie haben da einen Überläufer, ursprünglich waren alle Großstädter, nur Ingo ist ganz bewusst in die Eifel gezogen, er hätte da auch recht extreme Ansichten, es ist entweder total genial oder eine Vollkatastrophe. Jedenfalls hat Ingo im Keller des Hauses ein Studio eingerichtet, so dass auch die anderen vier oft in der Eifel sind, teilweise für mehrere Tage und von dem Eindruck, den sie sich inzwischen verschaffen konnten und den sie psychisch noch verarbeiten müssen, handelt das folgende Lied „In the Eifel now“.
Mit „Perfekt“ und „Deutsche Bahn“ ging es übergangslos weiter, bevor Clemens sich erfreut zeigte, endlich wieder live spielen zu können, bei Streaming fehlt einfach die direkte Reaktion des Publikums wie bei „Thank you for travelling with…“ und klar lieferte das Publikum die Antwort nochmal für ihn.
Der eklatante Altersunterschied hat natürlich für beide Vorteile. Die älteren erleben einen frischen Wind, es macht auch Freude, mit Kin…, Jug… Friedemann zusammen zu arbeiten und die Jüngeren können von der Erfahrung profitieren, wenn sie es denn tun würden. Es gibt aber auch Missverständnisse auf Grund des unterschiedlichen Vokabulars. Ghettoblaster haben nichts mit Sprengsätzen zu tun, Kajagoogoo ist kein Beuteltier, Bananarama kein fruchtiger Brotaufstrich und Spandau Ballett keine Ballettgruppe. Bei „Wham“, was von Friedemann mit „Wen“ korrigiert wurde, war das Maß für Dän und Clemens voll und sie haben sich eine pädagogische Einheit überlegt, die sie jetzt auch auf der Bühne zeigen wollen, um uns zu demonstrieren, was ihnen in ihrer Jugend wichtig war mit dem 80er-Medley.
Friedemann fuhr fort mit „Sing mal wieder“ und meinte diesmal „jetzt seid ihr eingesungen. Ich jetzt auch!“ Sie probierten aus, was passiert, wenn sie zum Ende hin nochmal ein paar Takte aussteigen und Dän meinte, dass sich da der Unterschied zwischen Theorie und Praxis zeigt. Wir hätten einfach euphorisch weiter singen sollen, bis sie quasi erneut einsteigen, was aber nur so halb geklappt hat. Es folgte der Dank an alle, die einen Job heute Abend gemacht haben, an Chris Winkel für das Licht und nicht zuletzt an uns als Publikum.
Wir sind Pioniere, die die Leute ansprechen sollen, mal wieder live ins Konzert zu gehen, manche haben noch Angst vor Corona und wollen deshalb nicht, andere hätten aber schlicht vergessen, wie gut so ein Konzert tut. Es folgte „Ich habe kein Tattoo“, das letzte Lied im regulären Teil.
Die Zugaben waren „Jetzt und hier“, das Konzertselfie vor einer vollen Kirche und „Das Leben ist schön“. Ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass es das letzte Lied war, denn „Deutsche bahn“ war ja schon gesungen worden und so huschte ich zum Merchandise-Stand. Da hörte ich dann Däns Ansage, dass sie noch ein Lied in der Mitte der Kirche singen würden und wir jetzt ganz leise sein müssten. Ich kam also zurück, kam nicht mehr durch den Gang und setzte mich halt einfach auf den Boden, da auf den Bänken kein Platz mehr war und ich auch nicht stehen bleiben wollte. Hach, „Bedingungslos“ ist einfach toll so unverstärkt, was für ein toller Abschluss!
Zu Beginn übernahm erstmal der Pastor, flätzte sich gemütlich auf den Sessel und meinte, dass er es genießt, diesmal nicht hinter dem Altar zu stehen. Dann stand er doch wieder auf und erzählte, dass das letzte Konzert der AB schon 4 Jahre her ist und er hofft, dass es nicht so lange bis zum nächsten dauern wird. Er erklärte, wo sich die Toiletten befinden, dass die evangelische Jugend in der Pause gegen Spende Verpflegung anbietet und das wir doch bitte die Handys ausschalten sollten. Mit einigen Zitaten aus verschiedenen AB-Songs lud er uns dann auf die musikalische Reise ein.
Wie immer gilt, wer sich überraschen lassen möchte, liest nicht weiter. Däns neue Hauptstimme ist nochmal im Spoiler versteckt, wer also die Konzerte im Prinzip schon kennt und nur die neue Hauptstimme noch nicht wissen will, kann getrost weiterlesen.
Spoiler:
Die Bühne war extrem klein, fast quadratisch. Links stand ein Tisch mit dem Laptop und den Flaschen der Jungs, dahinter irgendwo das kleine Podest, auf dem Björn beim Medley steht, außerdem die Mikrofonständer. Und zwischen dem Tisch links und dem Bühnenrand rechts konnten die Fünf nur geradeso nebeneinander stehen. Beim ersten Titel „Wir sind alte Bekannte“ stieß Björn dann auch ein paar Mal am Tisch an oder an den Mikrofonständern, so dass ich einmal schon befürchtete, einer würde gleich umfallen. Im Laufe der Zeit spielte es sich dann ein. Zwar konnten sie sich manchmal nicht wie gewohnt drehen, weil da schon jemand stand und ab und zu befürchtete ich schon, dass jemand mal rechts runter fällt, sie bekamen die Choreos insgesamt aber gut hin für die Größe dieser Bühne.
Beim Zeigen der „bunten Socken“ haben mir Clemens‘ Schäfchensocken am besten gefallen. Dän begrüßte uns und war geflashed über das Verhältnis von der Größe des Publikums im Vergleich zum Platzangebot. Ich hätte auch nie gedacht, dass hier knapp 330 Leute in die Kirche passen würden, kein Wunder, ich hatte die obere Etage nicht mit einbezogen. Dän schaute in die Runde und meinte, es würde sich anfühlen, als würden sie bei einem Open Air vor 10.000 Leuten spielen. Dann erzählte er, dass ein Streaming-Konzert zwar besser als nichts ist und trotzdem scheiße. Die Techniker waren als Publikum wohl nicht so begeisterungsfähig. Hier in der Kirche sind überall Leute, sogar oben und – mit einem Blick hinter sich – nur hier nicht. Ein Teil von uns ist durch das Licht auch noch sichtbar, das heißt, sie sehen, wer Spaß hat und auch, wer eben nicht ganz freiwillig da ist. Das sei für sie eine Herausforderung, diese Leute dann auch zu motivieren.
Wenn einige von uns jetzt überlegen, dass der Kollege ganz rechts aber mal älter aussah, dann liegt das daran, dass das ein neuer Kollege ist, nämlich Friedemann Petter, der wirklich so jung ist, wie er aussieht und die Band zu einem Zwei-Generationen-Projekt macht. Er leistet hier nicht sein freiwilliges soziales Jahr ab sondern ist ein hervorragender Sänger und Komponist, und kann außerdem super Klavier spielen, was ihm in einer a-cappella-Band allerdings nicht viel nutzt.
In den Blind Auditions bei „The Voice of Germany“, der Erwachsenen-Version, hat er alle vier Buzzer bekommen und ist erst im Halbfinale ausgeschieden. Er hat sich gerade noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht, bevor er das Ding gewonnen hätte und ist jetzt bei ihnen gelandet, in dem Sammelbecken für gescheiterte Existenzen. Die Ansage kam diesmal wirklich lustig rüber, im Gegensatz zum Streaming-Konzert, wo es wirklich einen faden Beigeschmack hatte. Jetzt dürfen wir ihn mit einer Hauptstimme erleben bei einem Lied, wo die Frau die Beziehungsentstehung in die eigenen Hände genommen und Amor ein wenig nachgeholfen hat bei „Du hast mich in dich verliebt“.
Dän erklärte dann, dass die Bemerkungen über das Alter wirklich witzig gemeint sind, das Alter spielt bei Musikern nicht so die entscheidende Rolle. Da zählt eher, ob man gut oder schlecht ist. Es hat sich auch kaum etwas im Bandalltag geändert, sie müssen nur an den Raststätten ein wenig mehr Zeit einplanen für den Spielplatz oder beim Catering mal ein Ü-Ei mitbestellen.
Danach wurde Dän wieder ernst und sprach von den aktuell schwierigen Zeiten, wo man das Gefühl hat, die Welt dreht durch und man selber fühlt sich so hilf- und machtlos. Global ist das vielleicht sogar richtig, im eigenen Kreis kann man allerdings sehr wohl für gute Stimmung sorgen und sich selbst nicht ganz so wichtig nehmen. Das Lied dazu heißt „Leben und leben lassen“.
Ingo legte mit „Billig Jeans“ los, fragte hörbar „Warum denn mich?“ bei der Stelle „Und die Kids schau‘n dich blöd an“ und den MoonWalk zeigte er nicht nur hinter den anderen von rechts nach links, sondern auch links dran vorbei und vorne wieder von links nach rechts zurück.
Dän erklärte anschließend, dass es dieses Lied nicht auf CD gibt, da die Musik ja von jemand anderem ist. Da hätten sie den Komponisten oder dessen Nachfahren fragen müssen, was sie aber nicht getan haben. Deshalb dürfen sie es eigentlich auch gar nicht singen es wäre auch gut, wenn das so ein bisschen unter uns bleiben würde. Irgendwo in dieser Moderation fiel der Satz „Wenn ihr da looked…“ und Dän meinte lachend, dass sie so viel international unterwegs wären, dass man da schon mal durcheinander kommt.
Für den Sound ist Hank zuständig und dieser hat Dän vor dem Konzert gebeten, langsam zu sprechen. Dän ist nicht ganz klar warum, weil Hank die Ansagen doch kennt? Weiter ging es mit dem Hinweis, dass Politiker nicht gut im Verkaufen sind, Vorschläge, wie einen Waschlappen zu nutzen, um Energie zu sparen, wirken da schon irgendwie hilflos. Sie haben einen besseren Vorschlag, nämlich einfach einen Tag im Bett zu verbringen, am besten zu zweit und mit der "Ode an die Schnarchnasen“.
Nach dem anschließenden „Verboten“ erklärte Dän, dass nun zwei Lieder am Stück folgen. Das zweite handelt von Vergesslichkeit und ist durchaus autobiografisch, das Lied würde ihm auch durch die überspitzte Darstellung bei der Verarbeitung helfen.
Spoiler:
Davor kommt jedoch ein Lied, dass er seit zwei Jahren nicht singen konnte und welches sich inhaltlich gerade so um sein Leben legen würde. Er hatte im Dezember einen Schlaganfall, der dafür sorgt, dass er nicht mehr mit der jugendlich akrobatischen Bühnenpräsenz unterwegs ist, wie früher, er ist da noch am Verarbeiten der Folgen.
Bei „Der Dings“ haben Björn und Ingo ordentlich herumgealbert,
Spoiler:
bei „Das Leben“ herrschte sofort eine ganz andere Stimmung. Dän stand in der Mitte, die vier anderen im Halbkreis hinter ihm – zum Großteil mit geschlossenen Augen. Gänsehaut pur. Nach dem Lied herrschte eine ganze Weile Pause, bis der überwältigende Applaus einsetzte.
Friedemann übernahm für die nächste Ansage und meinte, dass er jetzt seit ca. 2 Jahren bei der Band ist, aber nur wenig auf der Bühne stand. Trotzdem haben sie viel Zeit miteinander verbracht und versucht, sich gegenseitig etwas beizubringen. Björn hat zum Beispiel versucht, ihm etwas über Hüftschwung beizubringen – vergeblich. Ingo erklärte ihm den Umgang mit einem Kamm – ein herrlicher blick war die Antwort. Und Clemens kann für jemanden, der keine Ahnung hat, richtig gut Yoga. Die Bewegungen hätten bei ihm allerdings eher zu Rückenschmerzen geführt so dass er nur die Praxis der Mantren für sich übernommen hat. Das können Sätze oder Sprüche sein, aber auch ganze Lieder und so hat er in WG-Texten geblättert und ist bei einem hängen geblieben, welches er dann 20- bis 40-mal vor dem Frühstück wiederholt hat. Es folgte „Das Sägewerk Bad Segeberg“ in einem Affentempo und gefolgt von reichlich Applaus.
Björn meinte dann, dass sie nach dieser kognitiven Höchstleistung eine Pause machen müssen, sonst bekommen sie Ärger mit dem Jugendschutz. Als er auf die sozialen Medien hinweisen wollte, fiel sein Mikro aus und er nahm kurz Ingos mit den Worten „Auf Ingos? Da kling ich wie ein Mädchen!“ und ja, es war deutlich höher. Er setzte erneut an, auf Social Media hinzuweisen, doch Hank brachte umgehend ein neues Mikro und es fiel so richtig auf, wie hoch Ingos Mikro klingt, weil Björn so tief er konnte „Hey!“ sagte.
Dann konnte er endlich fortfahren und im dritten Anlauf klappte die ansage dann endlich. Er erwähnte die kleinen Clips, den Newsletter, für den man seine E-Mail-Adresse mit Kuli in die Liste eintragen kann. Dann erfahren wir auch, wann sie wieder vor Ort sind und dann darf Friedemann bestimmt auch schon Bier trinken. Die üblichen Hinweise auf die Alben, Shirts und Beutel durften nicht fehlen und es folgte das letzte Lied der ersten Konzerthälfte mit „Nicht mein Zirkus“ und ja, sogar hier hat es mit der Choreo funktioniert.
In der Pause verkaufte ich am Stand einige Shirts, die aktuelle CD und erstaunlich viele „Ständchen“, es lief überraschend gut, es waren einfach viele Ersthörer dabei, was am Gelächter und Applaus durchaus erkennbar war.
Die zweite Hälfte begann mit „Montagsallergie“ und das hat mich sehr verwundert, „Erober deine Welt“ hätte doch so schön in eine Kirche gepasst. Dän wies darauf hin, dass sie in der ersten Hälfte normalerweise legerere Klamotten tragen würden, dass wäre ihnen diesmal aber zu kalt gewesen, weswegen sie in beiden Konzerthälften die gleichen Anzüge tragen.
Das eben gesungene Lied war ihr erstes, sozusagen ihr erster Oldie. Die AB haben 5 Kinder, kurioserweise alles Jungs, die dann den Laden auch mal übernehmen sollen. Friedemann hat logischerweise noch keine Kinder, Ingo hat sich bewusst gegen Kinder entschieden, was er versteht und nach Kräften unterstützt, dass es so bleibt. Clemens und er selbst haben je zwei Jungs, die schon recht groß sind und nur Björn hat noch so einen ganz kleinen. DAS führt dazu, dass Clemens und er hin und wieder sentimental werden und in Erinnerungen schwelgen, weshalb sie ein altes Lied nochmal ausgegraben haben, nämlich „Kleiner Terrorist“.
Friedemann lobte dann Clemens‘ Babyphone-Solo und erklärte, dass er bei der Vergabe des nächsten Liedes sofort aufgesprungen ist und zwar nicht nur, weil er es als einziger noch kann, sondern weil es zu seiner Situation passt. Er ist nämlich mit seiner Freundin zusammengezogen, aus einer Fernbeziehung wurde eine Lockdownbeziehung. So haben sie sich nochmal neu und anders kennengelernt und bemerkt, dass sie eine Frühaufsteherin ist und er eben Musiker. Sie steht jeden Tag 2 Minuten früher auf, wodurch sie in Richtung einer asiatischen Zeit-zone wandert und er in Richtung New Yorker Zeit. Nach einiger Zeit wurde ihnen bewusst, dass sie dadurch immer weniger Zeit wach miteinander verbringen. Die Lösung ist, dass sie ihm Kaffee ans Bett bringt und er „Nenn mir einen guten Grund“ singt.
Björn erklärte dann, dass man auf der Bühne normalerweise große Gesten macht, damit es auch bis ganz nach hinten zu sehen ist, hier wäre das aber nicht möglich und alles müsste klein ausfallen, was auch von allen nochmal gestenreich unterstrichen wurde. Ingo sorgte dann für einen heftigen Lacher, als er nach oben zeigte, da war immerhin genug Platz! Björn konnte dann auch noch einen Lacher einheimsen, als er erklärte, dass sein Schrittzähler heute nicht auf 10.000 kommen wird – ein kleiner Einblick in die Band wäre das.
Alles ist hier live, fuhr Björn fort, das gilt auch für die Beatbox. Dafür bräuchte es auch nur zwei Dinge. Das erste wäre Talent, wie bei ihm. Seine Mutter ist Sängerin und Chorleiterin, sein Vater Schlagzeuger. Es dauerte einen Moment, bis der Zusammenhang beim Publikum ankam, dafür gab es dann aber reichlich Gelächter. Das zweite, was es braucht, ist Übung, das hat Dän gemacht. Und dann gibt es Clemens. Für jemanden, der es nicht kann, macht er es super (da hat er sich in seiner Moderation ordentlich verhaspelt) und deswegen darf er uns jetzt zeigen, was da alles geht. Ich finde es total schön, dass sie wieder so ein Beatbox-Intro dabei haben, Clemens macht das einfach grandios! Nach „Es macht Spaß, auch mal nett zu sein“ erklärte Dän, dass es da einen inhaltlich einen Fehler gibt, mit 70cent Toilettenkosten sei das Nettsein eben doch nicht immer kostenlos. Ein junger Mann hat ihn per Mail darauf aufmerksam gemacht, was ihn, Dän, mit Freude erfüllt hätte, die Ironie war nicht zu überhören.
Dän fuhr fort, dass es in Deutschland zwei Fraktionen gibt, die einen sagen, dass man nur in Großstädten vernünftig leben kann, wären die anderen nur das Leben auf dem Land lebenswert finden. Sie haben da einen Überläufer, ursprünglich waren alle Großstädter, nur Ingo ist ganz bewusst in die Eifel gezogen, er hätte da auch recht extreme Ansichten, es ist entweder total genial oder eine Vollkatastrophe. Jedenfalls hat Ingo im Keller des Hauses ein Studio eingerichtet, so dass auch die anderen vier oft in der Eifel sind, teilweise für mehrere Tage und von dem Eindruck, den sie sich inzwischen verschaffen konnten und den sie psychisch noch verarbeiten müssen, handelt das folgende Lied „In the Eifel now“.
Mit „Perfekt“ und „Deutsche Bahn“ ging es übergangslos weiter, bevor Clemens sich erfreut zeigte, endlich wieder live spielen zu können, bei Streaming fehlt einfach die direkte Reaktion des Publikums wie bei „Thank you for travelling with…“ und klar lieferte das Publikum die Antwort nochmal für ihn.
Der eklatante Altersunterschied hat natürlich für beide Vorteile. Die älteren erleben einen frischen Wind, es macht auch Freude, mit Kin…, Jug… Friedemann zusammen zu arbeiten und die Jüngeren können von der Erfahrung profitieren, wenn sie es denn tun würden. Es gibt aber auch Missverständnisse auf Grund des unterschiedlichen Vokabulars. Ghettoblaster haben nichts mit Sprengsätzen zu tun, Kajagoogoo ist kein Beuteltier, Bananarama kein fruchtiger Brotaufstrich und Spandau Ballett keine Ballettgruppe. Bei „Wham“, was von Friedemann mit „Wen“ korrigiert wurde, war das Maß für Dän und Clemens voll und sie haben sich eine pädagogische Einheit überlegt, die sie jetzt auch auf der Bühne zeigen wollen, um uns zu demonstrieren, was ihnen in ihrer Jugend wichtig war mit dem 80er-Medley.
Friedemann fuhr fort mit „Sing mal wieder“ und meinte diesmal „jetzt seid ihr eingesungen. Ich jetzt auch!“ Sie probierten aus, was passiert, wenn sie zum Ende hin nochmal ein paar Takte aussteigen und Dän meinte, dass sich da der Unterschied zwischen Theorie und Praxis zeigt. Wir hätten einfach euphorisch weiter singen sollen, bis sie quasi erneut einsteigen, was aber nur so halb geklappt hat. Es folgte der Dank an alle, die einen Job heute Abend gemacht haben, an Chris Winkel für das Licht und nicht zuletzt an uns als Publikum.
Wir sind Pioniere, die die Leute ansprechen sollen, mal wieder live ins Konzert zu gehen, manche haben noch Angst vor Corona und wollen deshalb nicht, andere hätten aber schlicht vergessen, wie gut so ein Konzert tut. Es folgte „Ich habe kein Tattoo“, das letzte Lied im regulären Teil.
Die Zugaben waren „Jetzt und hier“, das Konzertselfie vor einer vollen Kirche und „Das Leben ist schön“. Ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass es das letzte Lied war, denn „Deutsche bahn“ war ja schon gesungen worden und so huschte ich zum Merchandise-Stand. Da hörte ich dann Däns Ansage, dass sie noch ein Lied in der Mitte der Kirche singen würden und wir jetzt ganz leise sein müssten. Ich kam also zurück, kam nicht mehr durch den Gang und setzte mich halt einfach auf den Boden, da auf den Bänken kein Platz mehr war und ich auch nicht stehen bleiben wollte. Hach, „Bedingungslos“ ist einfach toll so unverstärkt, was für ein toller Abschluss!